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Die Geschichte der Mammographie
Die Geschichte der Mammographie
Vom stiergroßen Röntgenapparat zum Spezialsystem für die Mammographie
Alle Geschichten aus der Pionierzeit der Röntgentechnik erzählen von brillanten, oft sogar von faszinierenden Persönlichkeiten. Manchmal beginnen die Forschungen dieser Pioniere mit einer genialen Idee, manchmal mit einer bahnbrechenden Entdeckung – und manchmal, wie im Falle des Radiologen Philip Strax, mit einer persönlichen Angelegenheit im Leben des Wissenschaftlers. Strax betreibt als Allgemeinarzt eine kleine Praxis in Manhattan, als ihn und seine Familie eine schockierende Nachricht erreicht: Seine Ehefrau, Bertha Goldberg Strax, erkrankt an Brustkrebs und stirbt 1947 im Alter von 39 Jahren. Philip Strax beschließt, sein Berufsleben dem Ziel zu widmen, so viele Menschen wie möglich vor diesem Schock zu bewahren, besonders natürlich die Patientinnen.
Die sogenannte Mammographie (lateinisch mamma: die Brust) steckt zu dieser Zeit zwar noch in den Kinderschuhen; doch die Apparate und das Wissen, auf die Strax und seine Kollegen zurückgreifen können, haben bereits ein paar Jahrzehnte Entwicklung hinter sich.
Was ist Mammographie? Wie läuft eine Untersuchung ab? Die und weitere Fragen rund um die Mammographie beantwortet das Video.
Pioniere der Mammographie
Albert Salomon
Im Jahr 1913 beginnt der Chirurg Albert Salomon erstmals Brustkrankheiten mithilfe von Röntgenstrahlen zu untersuchen. Dabei hat er mit den technischen Einschränkungen seiner Zeit zu kämpfen. Die Röntgengeräte sind nicht darauf ausgelegt, das Brustgewebe seiner Patientinnen ohne erheblichen Aufwand abzubilden. Salomon kann deshalb lediglich entnommenes Brustgewebe für seine Forschungen nutzen. Er vergleicht das Gewebe mit den Röntgenbildern und erkennt unter anderem, wie sich krankes Gewebe ausbreitet und von gesundem unterscheiden lässt. Die Grundlagen der Diagnose erklärt er bereits so umfassend, dass später nur noch wenig theoretisches Wissen hinzugefügt werden muss.

Otto Kleinschmidt
Die erste bekannte Abbildung des Brustgewebes einer lebenden Patientin wird 1927 vom Leipziger Chirurgie-Professor Otto Kleinschmidt veröffentlicht.
Quelle: Zweifel, Paul/Payr, Erwin (Hg.): Die Klinik der bösartigen Geschwülste, S. 58.

Leborgne, Gros, Gershon-Cohen und Ingleby
Ab Mitte der 1930er Jahre schaffen zahlreiche weitere Pioniere mit ihren Erkenntnissen und Anforderungen an Mammographie-Geräte die Blaupause für den Aufbau unserer heutigen Systeme. In Montevideo erkennt der Radiologe Raoul Leborgne unter anderem, dass sich Brusttumoren großflächig ausbreiten können, ohne sich ertasten zu lassen. Charles Gros verbessert in Straßburg die Bildqualität, indem er Röntgenröhren auf die Darstellung weichen Gewebes optimiert. In Pennsylvania weist eine amerikanische Arbeitsgruppe um Jacob Gershon-Cohen und die Pathologin Helen Ingleby die Bedeutung der Mammographie für die Frühdiagnose nach und veröffentlicht das erste Standardwerk der Mammographie.

Universität Heidelberg
Im Jahre 1957 beginnt an der Universität Heidelberg eine großangelegte Studie, die zum Durchbruch der Mammographie beitragen wird. Durch eine Anzahl technischer Verbesserungen konnte der Mammographie der Weg für eine größere Verbreitung gesichert werden. Das Röntgengerät, das in der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg zum Einsatz kommt, ist das Siemens Tridoros IV. Zwar handelt es sich beim Tridoros IV nicht um ein speziell für die Mammographie entwickeltes Gerät, die Heidelberger Mediziner und Siemens optimieren es jedoch gemeinsam auf die hohen Anforderungen an die Röntgentechnik bei der Abbildung von Brustgewebe. Erstmals wird an der Röntgenröhre ein Tubus angesetzt, der zum einen die Röntgenstrahlen gezielt bündelt, zum anderen die Brust komprimiert, um die Strahlenbelastung zu senken und die Detailerkennbarkeit zu erhöhen.
So früh wie irgend möglich
Philip Strax trägt wesentlich dazu bei, der Mammographie zum Durchbruch zu verhelfen. Ihr zentrales Forschungsmittel – eine Reihenuntersuchung von rund 62.000 New Yorker Frauen – ist vom erste Tage an eine Art großes logistisches Abenteuer: Da die meisten Krankenhäuser der Stadt zu dieser Zeit im Norden liegen, wollen viele Frauen nicht den weiten Weg dorthin auf sich nehmen – doch Philip Strax persönlich versucht sie mit Briefen und Telefonaten zur Teilnahme zur überreden. Das Team stattet einen Lieferwagen mit einem Röntgengerät aus, parkt ihn in der Mitte Manhattans zwischen Eiswagen und Sandwichverkäufern, und untersucht die Probandinnen dort während ihrer Mittagspause.

Damit die teilnehmenden Kliniken jeden Tag mehrere Tausend Mammographien durchführen können, werden die Frauen von früh bis spät durch einen karussellähnlichen Bau mehrerer Umkleiden geschleust. Jede Station, jedes Betreten der Kabinen und jedes An- und Auskleiden sind bis auf die Minute getaktet. „Um den Durchsatz zu beschleunigen, wird auf Annehmlichkeiten wie Stühle und Spiegel verzichtet.“ Das Ergebnis dieser bis dahin größten Untersuchung zur Nützlichkeit der Mammographie: Bei mehreren Frauen sind Tumoren rechtzeitig erkannt und behandelt worden, so dass unter den Teilnehmerinnen der Reihenuntersuchungen fast 40 Prozent weniger an Brustkrebs gestorben sind als aus der Kontrollgruppe. Philip Strax schreibt voller Begeisterung: „Der Radiologe ist zum potentiellen Retter von Frauen – und ihren Brüsten – geworden.“
Die neue Einheit
Die Mammographie steckt Mitte der 1960er Jahre noch in den Kinderschuhen. Nur wenige, sehr erfahrene Spezialisten nutzen „Maschinen, so groß wie ausgewachsene Stiere“, um das Brustgewebe ihrer Patientinnen abzubilden. Die noch junge Diagnosemethode erfordert vom Untersucher großes Geschick und stellt außergewöhnliche Ansprüche an die Technik. Dass die Mammographie für die Krebsvorsorge in Zukunft immer wichtiger werden wird, ist jedoch bereits zu dieser Zeit offensichtlich. „Unter diesen Gesichtspunkten hielten wir es für erforderlich“, erklären einige Ingenieure von Siemens im Jahre 1971, „für die Mammographie ein Spezialgerät zu entwickeln, das eine schnelle und einfache Bedienung ermöglicht und zugleich eine optimale Aufnahmequalität ergibt.“
Beim Siemens MAMMOMAT sind keine mühsamen Einstellungen und Anpassungen des Röntgengeräts nötig. Die auf die Brustdiagnostik optimierte Röntgenröhre macht bis zu 0,1 Millimeter kleine Strukturen im Gewebe sichtbar. „Mit dem MAMMOMAT steht nunmehr ein Gerät zur Verfügung, das durch seine einfache Handhabung, vor allem aber wegen der erzielbaren hohen Aufnahmequalität und der geringen Strahlenbelastung der Patientin für die allgemein als dringlich erkannte Krebsvorsorgeuntersuchung geeignet ist.“

Meilensteine der Mammographie

1972
Der MAMMOMAT ist das erste System von Siemens, das speziell für die Untersuchung der weiblichen Brust entwickelt wird.

1981
Die Rastertechnik im MAMMOMAT B wirkt sich auf die Qualität der Untersuchung aus: Streustrahlen werden im Raster erheblich reduziert, das Gewebe ist auf dem Röntgenbild wesentlich kontrastreicher und detaillierter zu erkennen.

1994
Im MAMMOMAT 3000 ermittelt ein Mikroprozessor für jede Patientin automatisch die optimalen Parameter der Röntgenaufnahme. Die automatische Kompressionseinrichtung schaltet den Kompressionsvorgang ab, wenn eine weitere Verdichtung zu keiner besseren Bildqualität führen würde. Der Patientin bleiben unnötige Druckschmerzen erspart, der Arzt erhält trotzdem die bestmögliche Bildqualität.

2003
Die neue Generation digitaler Systeme beginnt mit dem MAMMOMAT Novation. Die Röntgenstrahlen treffen im MAMMOMAT Novation auf einen Detektor, der die Messwerte in elektrische Signale umwandelt. Nach der Bildberechnung kann der Arzt im Beisein der Patientin den Befund direkt am Bildschirm erheben und bei Bedarf weitere Untersuchungen einleiten.

2007
2007 Der MAMMOMAT Inspiration ist ein flexibles System, mit dem neben Screenings auch normalen Mammographie-Diagnostik durchgeführt werden kann. Das Gerät ist der Ausgangspunkt für die weitere Entwicklung der Mammographie in den darauffolgenden Jahren.

2009
Durch die Integration der 3D-Brust-Tomosythese in die digitale Mammographieplattform MAMMOMAT Inspiration können dreidimensionale Aufnahmen der Brust angefertigt werden. Bei der Tomosynthese drehen sich die Röntgenröhre und der Detektor in einem 50-Grad-Bogen um die Brust und nehmen mit sehr niedriger Dosis 25 Einzelbilder auf. Anschließen werden aus den Daten dreidimensionale Bilder errechnet, auf denen auch Tumoren zu erkennen sind, die bisher von überlappendem Gewebe verdeckt waren.

2012
Der MAMMOMAT Inspiration PRIME Edition ist mit einem neuen Algorithmus zur Bildkorrektur ausgestattet, der die Strahlendosis bei gleichbleibender Bildqualität um bis zu 30 Prozent senkt.

2017
Der Siemens Healthineers MAMMOMAT Revelation ist das erste System, das die Brustdichte automatisch bestimmt. Ein Aufnahmewinkel von 50 Grad ist die Grundlage für 3D-Aufnahmen der Brust mit hervorragender Bildqualität, welche eine gezieltere, präzisere Biopsie ermöglichen. Außerdem erleichtert das System die Durchführung von Biopsien durch die "InSpect" Funktion. So kann nach der Entnahme von Brustgewebe die Probe direkt am Gerät überprüft werden.

1972
Der MAMMOMAT ist das erste System von Siemens, das speziell für die Untersuchung der weiblichen Brust entwickelt wird.
Turn your city pink!
Auf der Basis unseres ersten MAMMOMAT haben wir die Mammographie mit zahlreichen neuen Technologien geprägt. Mit der Zeit beeinflussten die zunehmende Automatisierung und Digitalisierung beinahe alle Eigenschaften der MAMMOMAT-Familie. Neben der Entwicklung großer Meilensteine wie der Tomosynthese – mit der sich seit 2009 dreidimensionale Aufnahme der Burst erzeugen lassen – tragen wir mit vielen Aktionen zur Aufklärung über die Bedeutung der Früherkennung bei.
Etwa 45 Jahre nachdem Philip Strax Frauen während ihrer Mittagspause in einem Lieferwagen in Manhattan auf Brustkrebs untersucht hat, sind in mehreren Ländern rund um den Globus „Mammo-Mobile“ von Siemens unterwegs. Im Inneren dieser mobilen Mammographie-Einheiten befindet sich ein kleiner, voll funktionsfähiger Untersuchungsraum mit einem MAMMOMAT Inspiration. Mithilfe der Mammo-Mobile möchte Siemens im Jahre 2008 ermöglichen, dass sich interessierte Frauen in ländlicheren Gebieten über das Thema Brustkrebs informieren und auf Wunsch vor Ort untersuchen lassen können.
Unter dem Motto „Turn your city pink! – Farbe bekennen gegen Brustkrebs“ sind zwischen Oktober 2011 und Oktober 2012 in 76 Ländern tausende Fotos und Videos entstanden, mit denen die Teilnehmer der Aktion so kreativ und öffentlichkeitswirksam wie möglich die zentrale Idee der Kampagne vermitteln: Menschen weltweit dazu aufrufen, sich mit dem Thema Früherkennung zu beschäftigen und selbst aktiv zu werden.
Technikjournalist und Autor im Siemens Healthineers Historical Institute