Röntgenbild Blume 1959
Nachhaltigkeit

Gestern an morgen gedacht 

Die Geschichte der Nachhaltigkeit bei Siemens Healthineers

Katharina Schroll-Bakes
Veröffentlicht am July 24, 2024
Das Verständnis für Nachhaltigkeit ist heute tief in unserem Unternehmen verwurzelt und fest mit unserem Unternehmenszweck verbunden. Bereits in der Vergangenheit finden sich viele Ansätze nachhaltigen Handelns. Schon damals waren damit Ambitionen verknüpft, die sich auch heute noch in den drei Säulen der Nachhaltigkeitsstrategie von Siemens Healthineers wiederfinden. 

Während die Medizintechnik heute aus Arztpraxen und Krankenhäusern nicht mehr wegzudenken ist, ist die Anschaffung etwa einer Tauchbatterie oder gar eines Röntgengerätes Anfang des 20. Jahrhunderts noch ein absolutes Novum und will gut überlegt sein. Kann ich mir das Gerät überhaupt leisten? Gibt es genug Patient*innen, die mit dem Apparat untersucht oder behandelt werden können? Bin ich in der Lage, dieses moderne Gerät richtig zu bedienen? Um den Ärzt*innen die Entscheidung zu erleichtern und der Medizintechnik den Weg in die Arztpraxen zu ebnen, haben sich unsere Vorgängerunternehmen einiges überlegt. 

Damit Ärzte ein Gerät, welches nur kurzzeitig für eine spezielle Therapie oder Diagnose benötigt wird, nicht kaufen müssen, unterbreitet Reiniger, Gebbert & Schall (RGS) seinen Kunden im Katalog von 1888 folgendes Angebot: 

Reiniger, Gebbert & Schall - Katalog 1888 Seite 3

„Apparate und Instrumente werden an die Herren Ärzte bereitwilligst auch zur Ansicht versandt und an deren Patienten in Miete gegeben.“

Doch auch wenn man ein Röntgengerät erst einmal ausleihen und testen kann, nützt dies zunächst wenig. Denn der große Knackpunkt der frühen Röntgentechnik besteht darin, dass die Ärzt*innen fundierte Kenntnisse in Physik und auch eine gewisse Experimentierfreude benötigten, um die komplexen Apparate zu bedienen. Deshalb bieten RGS und die späteren Veifa-Werke spezielle Röntgenkurse an. Weiterbildungs- und Trainingsangebote  sind auch heute noch ein wichtiger Bestandteil unseres Portfolios, um die Anwender*innen dabei zu unterstützen, das Potential Ihres Systems vollständig zu nutzen. 

Postkarte zu den Aschaffenburger Röntgenkursen

Bei der Anschaffung eines Magnetresonanztomographen (MR) gibt es lange Zeit noch ganz andere Hürden zu überwinden. Beispielsweise passt ein MR-Scanner mit einer durchschnittlichen Größe von einem Kleinbus und einem Gewicht von mehreren Tonnen schlichtweg nicht durch eine herkömmliche Türe, weshalb für die Installation aufwendige Baumaßnahmen notwendig sind. Das Magnetom Free.Max aus dem Jahr 2020 und das Magnetom Free.Star von 2021 sind die kleinsten und leichtesten Magnetresonanztomographen, die Siemens Healthineers jemals gebaut hat. Die Geräte können durch eine übliche Krankenhaustür angeliefert werden und der gesenkte Energie- und Heliumverbrauch hält die Betriebskosten vergleichsweise niedrig. Künstliche Intelligenz vereinfacht die Bedienung des MRTs-Scanners, sodass auch weniger erfahrene Anwender*innen damit zurechtkommen. 

Wenn aber gar kein Krankhaus existiert, in dem man ein bildgebendes System installieren kann, sind kreative Lösungen gefragt. Für diesen Fall gibt es zum Beispiel das MAGNETOM Free.Star auch als schlüsselfertige Lösung in einem Container. Dadurch können völlig unabhängig von der Struktur eines Gebäudes MR-Dienstleistungen angeboten werden.

Unsere Produkte zeichnen sich schon immer durch eine sehr hohe Qualität und Langlebigkeit aus. Schauen wir uns beispielsweise das Abenteuer zweier Röntgenkugeln im Jahr 1935 an. Die Kugeln gehören dem schwedischen Roten Kreuz und sind in Afrika im Einsatz. Dort fallen sie Plünderern zum Opfer, die sie jedoch auf ihrer Flucht wieder wegwerfen. Deswegen liegen die beiden Röntgenkugeln – während der Regenzeit – wochenlang im Morast. Doch sie werden gefunden und gelangen über Umwege wieder zu ihrem ursprünglichen Besitzer. Die Kugeln sind verschmutzt und verbeult und sehen „nicht so schön aus, wie es sich für einen Apparat im ärztlichen Untersuchungszimmer gehört.“ Aber eine gründliche Überprüfung durch die Siemens-Reiniger-Werke zeigt, dass die Geräte vollkommen funktionstüchtig und sicher sind!

Wenn ein Produkt dann doch irgendwann ausgetauscht werden soll, bietet die Siemens Medizintechnik seit dem Jahr 2000 weltweit einen besonderen Service und nimmt gebrauchte Systeme zurück. Ist das Gerät noch in einem guten Zustand, wird es gereinigt, mit neuen Komponenten und der aktuellen Software versehen. Nach der Aufarbeitung werden die Geräte nach den gleichen strengen Qualitätsstandards, die auch für Neuanlagen gelten, getestet und wieder verkauft. Mit der Arbeit des Geschäftsgebietes „Refurbished Systems“ werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Zum einen sind die generalüberholten medizinischen Systeme im Vergleich zu Neugeräten günstiger. Dadurch wird beispielsweise die Anschaffung von geprüften und qualitativ hochwertigen Bildgebungssystemen auch für Entwicklungs- und Schwellenländer möglich. Zum anderen verringert sich durch die Wiederaufbereitung von Altgeräten die Zahl der zu entsorgenden Komponenten.

Bei der Herstellung von Gütern werden stets Rohstoffe in Anspruch genommen und es können Schadstoffe entstehen. Innerhalb der Produktionskette gibt es Bereiche, die besonders viele Risiken für die Umwelt bergen, wie beispielsweise die Galvanik. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Oberflächenveredelung, das ein wichtiger Bestandteil im Produktionsablauf eines metallverarbeitenden Betriebs ist. Seit dem Bezug der Fabrik im Jahr 1893 werden über Jahrzehnte hinweg bei RGS im Keller des roten Backsteingebäudes die Erzeugnisse geschliffen, poliert und galvanisiert. Die Säuren und Laugen in den galvanischen Bädern bergen natürlich Gefahren für Umwelt und Gesundheit. Um die gesundheitlichen Risiken beispielsweise durch die chemischen Dämpfe einzudämmen, werden schon damals Maßnahmen ergriffen. „Egal ob es gestürmt oder geschneit hat, wir mussten alle zwei Stunden für 20 Minuten in den Hof, um frische Luft zu schnappen,“ erinnert sich Theresia Güthlein an die Zeit, als sie Ende der 1940er Jahre in der galvanischen Werkstatt gearbeitet hat. 


Mit der Eröffnung einer neuen Galvanik im Jahr 1967 haben die Hofpausen ein Ende. Für die damalige Zeit moderne Be- und Entlüftungsanlagen sorgen dafür, dass die Dämpfe nicht in die Raumluft gelangen und zum Beispiel direkt am Wannenrand der galvanischen Bäder abgesaugt werden. Außerdem ist die neue Galvanik-Werkstatt mit einer Anlage für die Behandlung des Abwassers ausgestattet, die das Wasser entgiftet und neutralisiert. Nicht nur in Erlangen, sondern auch in vielen anderen Produktionsstätten von Siemens werden ab der Mitte der 1960er Jahre gezielte Maßnahmen zum Umweltschutz umgesetzt.

Galvanik, 1967

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kehrt der Traditionsstandort für die Fertigung von Röntgenröhren in Rudolstadt im Jahr 1991 wieder in der Siemens-Konzern zurück. Schnell wird klar, dass hier die Galvanik dringend modernisiert werden muss. 1993 wird die neue Galvanikanlage in Betrieb genommen. Sie reduziert die Abwassermenge um 94 Prozent, wodurch trotz verdoppelter Kapazität anstatt 100 Kubikmeter nur noch 6 Kubikmeter Wasser pro Tag anfallen. Durch den Verzicht auf umweltgefährdende Chemikalien wird der als Reststoff anfallende Schlamm nicht mehr als Sondermüll auf die Deponie gefahren, sondern als Wertstoff in einer Nickelhütte verwertet. Was damals eine der modernsten Galvanik-Anlagen der Welt war, wird rund 30 Jahre später bei laufendem Betrieb wieder modernisiert, um stets den aktuellen Umweltstandards zu entsprechen.

Die neue Galvanik-Anlagen im Röhrenwerk in Rudolstadt, 1993

Der Schlüssel zum Erfolg sind die Menschen, die für das Unternehmen arbeiten. Das wissen auch die Gründer unserer Vorgängerunternehmen und bieten den Mitarbeiter*innen von Anfang an die Möglichkeit, ihre Potenziale auszuschöpfen und ihre Talente zu entfalten. Ein Beispiel ist die Geschichte von William Niendorf, der sich vom Mechanikergehilfen zum Vorstandsmitglied entwickelt hat.

1890 beginnt der junge William Niendorf als Mechanikergehilfe bei Reiniger, Gebbert & Schall zu arbeiten. Max Gebbert wird auf sein Talent aufmerksam und beauftragt Niendorf mit dem Bau der deutschlandweit ersten Zahnbohrmaschine mit Elektromotor. 

William Niendorf

Die Anregung zum Bau dieser Maschine kommt vom Erlanger Hofzahnarzt Doktor Friedrich Schneider, der eng mit RGS zusammenarbeitet. Schneider ist auch der erste, der Niendorfs elektrischen Zahnbohrer in seiner Praxis testen darf und er ist sofort davon überzeugt. 

Erster elektrischer Zahnbohrer in Deutschland, 1891

Mit seiner in Handarbeit gefertigten Zahnbohrmaschine legt Niendorf nicht nur einen wichtigen Grundstein für die Entwicklung zahnärztlicher Hilfsapparate in Deutschland, sondern auch für seine persönliche Karriere. Sein gewissenhaftes Arbeiten und sein Hang zur Präzision bringen ihn im Unternehmen schnell voran. Er wird Werkmeister, Leiter des Erlanger Werks, Vorstandsmitglied, sitzt später im Aufsichtsrat und ist sogar am Zusammenschluss von RGS und Siemens & Halske zu den Siemens-Reiniger-Werken maßgeblich beteiligt. 

Vom Mechanikergehilfen zum Vorstandsmitglied – für Frauen war ein solcher Karriereweg lange Zeit nicht vorgesehen. Obwohl Mitarbeiterinnen schon früh eine zentrale Rolle im Unternehmen spielen, sind sie bis in die 1970er Jahre hinein überwiegend als Arbeiterinnen in der Produktion oder als Angestellte im kaufmännischen Bereich tätig. Dank ihres Einsatzes kann auch in herausfordernden Zeiten wie den beiden Weltkriegen die Produktion aufrechterhalten und das Überleben des Unternehmens gesichert werden. Dennoch sind Frauen in Führungspositionen lange Zeit nicht zu finden – bis auf Marie Busch, deren Karriere eine bemerkenswerte Ausnahme darstellt. 

1918 tritt die 24-jährige Marie Busch ihre neue Stelle als Direktionsassistentin beim damaligen Vorstandschef von Reiniger, Gebbert & Schall an. Marie zeigt, was sie kann und erklimmt die Karriereleiter.

Marie Busch

1925 zieht sie nach Berlin und wechselt zur neugegründeten Vertriebsgesellschaft Siemens-Reiniger-Veifa (SRV), wo sie die Leitung der Rechts- und Steuerabteilung übernimmt. Schließlich wird Marie im Juni 1936 durch den Aufsichtsrat zur Prokuristin der Siemen-Reiniger-Werke (SRW) befördert und steht nun mit den beiden Vorständen Max Anderlohr und Theodor Sehmer an der Spitze des Unternehmens.  Im Zuge einer Dienststellenverlagerungen kehrt Marie 1944 nach Franken zurück und übernimmt das Personalreferat der SRW. Zusätzlich wird sie 1950 Vorstandsmitglied der INAG Industrie-Unternehmungen AG, einer Tochterfirma der SRW. Beide Positionen hat sie bis September 1959 inne, als sie nach über 40-jähriger Dienstzeit in den Ruhestand geht.

SRW-Führungskräfte, 1949

Heute ist Marie Buschs berufliche Laufbahn kein Sonderfall mehr. Im Jahr 2023 sind bereits 25 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt. Jeder Healthineer hat die Möglichkeit, sich zu entfalten und seinen Karriereweg zu gehen - unabhängig vom Geschlecht oder der Herkunft. Siemens Healthineers fördert eine integrative Kultur, in der sich jeder Mensch frei entfalten kann. 



Katharina Schroll-Bakes
Katharina Schroll-Bakes
Von Katharina Schroll-Bakes

Spezialistin für Historische Kommunikation und Historikerin im Siemens Healthineers Historical Institute