Bildgebung

Foto, Film und Röntgentechnik 

Wie kommt die dritte Dimension ins Röntgenbild?

4min
Katharina Schroll-Bakes
Veröffentlicht am September 1, 2020

Innovative Technik braucht Inspiration. Bei der Frage, wie man die dritte Dimension ins Röntgenbild bringen kann, sind es Verfahren aus dem Foto- und Filmbereich, welche die Gedanken unserer Entwickler in den letzten 125-Jahren beflügelt haben.  

1851: In London findet die erste Weltausstellung statt. Eine neuartige Technik sorgt beim Publikum für Furore - die Stereoskopie. Sie ermöglicht es, Fotos dreidimensional zu betrachten.  Schnell tritt die Stereoskopie ihren Siegeszug an. Zahlreiche Fotografen ziehen fortan um die Welt und halten mit Stereokameras Schnappschüsse von exotischen Reisezielen und imposanten Bauwerken fest. Ausgerüstet mit einem Stereoskop war es nun Jedermann möglich, vom gemütlichen Sessel aus ferne Länder zu bereisen. Um 1900 ist die Stereoskopie bereits ein populäres Massenmedium. Kein Wunder also, dass schon kurz nach der Entdeckung der Röntgenstrahlen auch mit Stereo-Röntgenbildern experimentiert wird.

Getty images, Weltausstellung 851

Stereo-Röntgen 

Röhreneinstellung für stereoskopische Röntgenaufnahmen

Röhreneinstellung für stereoskopische Röntgenaufnahmen
Quelle: Janker, Robert:  Röntgen-Aufnahmetechnik. Teil I. Allgemeine Grundlagen und Einstellungen, 1966, S. 15

Prismenstereoskop nach Dr. Walter von Reiniger, Gebbert & Schall, Katalog 1905

Prismenstereoskop nach Dr. Walter von Reiniger, Gebbert & Schall, Katalog 1905 

1922: Im New Yorker Selwyn Kino kommt erstmals das von Laurens Hammond erfundene „Teleview-System“ zum Einsatz – ein Vorläufer der heutigen Shuttertechnik, die wir zum Beispiel von unseren modernen 3D Fernsehern kennen. Gezeigt wird der 3D-Film „The Man From M.A.R.S.“. Synchronisierte Sichtapparate, die an der Armlehne jedes Kinosessels angebracht sind, sorgen für ein dreidimensionales Kinoerlebnis. Vielleicht könnte man sich diese Technik zunutze machen, um nicht nur einzelne Bilder, sondern einen ganzen Röntgenfilm dreidimensional zu betrachten? 

Illustration des Teleview-Systems, 1922
Stereoaufnahmegerät von Siemens-Reiniger-Veifa, 1927

Stereoaufnahmegerät von Siemens-Reiniger-Veifa, 1927 

2014: Gollum gibt den Anstoß für eine Entwicklung, welche die 3D-Bildgebung in eine neue Ära führt. Das computeranimierte Fabelwesen aus der Film-Trilogie „Herr der Ringe“ inspirierte die Entwickler bei Siemens Healthineers. Sie fragten sich, wie es möglich ist, dass Gollum inmitten der menschlichen Schauspieler so täuschend echt aussieht, obwohl er erst nachträglich in die Szenen eingefügt wurde. Hinter Gollum steckt eine Technik namens „Bildbasierte Beleuchtungsberechnung“. Dieses Know-how der Filmindustrie macht sich das Forscher-Team um Klaus Engel von Siemens Healthineers zunutze und entwickelt daraus die Visualisierungstechnologie „Cinematic Rendering“. Auf Basis von medizinischen Daten aus bildgebenden Verfahren, entstehen mit „Cinematic Rendering“ fotorealistische Bilder des Körperinneren. Komplizierte Algorithmen modellieren dabei Knochen, Organe, Haut und Blut und simulieren eine natürliche Beleuchtung.

Lungenflügel und Organe des Bauchraumes mit Herz und Leber. Der kleine orangene Fleck im rechten Lungenflügel des Patienten zeigt einen Lungentumor. Die weißen „Blasen“ im unteren Bauchraum stellen den Dünndarm dar.
Anatomie-Vorlesung anhand von Darstellungen mit Cinematic Rendering im Deep Space 8K des Ars Electronica Centers in Linz

Anatomie-Vorlesung anhand von Darstellungen mit Cinematic Rendering im Deep Space 8K des Ars Electronica Centers in Linz

Quelle: Ars Electronica / Robert Bauernhansl 

Cinematic Rendering und die Microsoft HoloLens 2  Copyright: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz

Virtuelle Reise in den Körper 

Cinematic Rendering und die Microsoft HoloLens 2
Copyright: Deutscher Zukunftspreis/Ansgar Pudenz  


Katharina Schroll-Bakes
Katharina Schroll-Bakes
Von Katharina Schroll-Bakes

Spezialistin für Historische Kommunikation und Historikerin im Siemens Healthineers Historical Institute